7. Tag, Kinderprojekte von und mit Giovane Elber

Heute beginnt ein Tag voller Erwartungen…Giovane Elber, ehemals gefeierter Fußballstar des FC Bayern München, heute als Botschafter für diesen Verein unterwegs, holte uns in Rolândia mit seinem Auto ab, um nach Londrina zu fahren. Hier befindet sich die von ihm am 31.5.1997 gegründete „Escola Oficina Pestalozzi“, eine Einrichtung für Kinder vom 5.-15.Lebensjahr aus der Favela.
Zunächst fuhr er mit uns durch ein sichtbar armes Viertel, welches sich durch den Schmutz, eingefallene Häuser, Müll, ausgeschlachtete Autowracks sowie ungewaschene und lumpige Kinder von anderen unterschied. Weder er, noch wir stiegen aus, um uns umzusehen und vielleicht mit dem Einen oder Anderen Kontakt aufzunehmen. Die Gewalt in diesen Slums, brasilianisch „Favelas“, ist zu groß. Wie trostlos die Gesichter der Menschen dort aussahen, wie teilnahmslos, wie perspektivlos.
Gut, bei gefühlten fast 40 Grad würde sich in Deutschland auch niemand mehr als nötig bewegen, nur ist die Situation für diese Menschen, die kaum etwas zu essen haben, sehr, sehr trostlos. Um so mehr bewunderten wir das unbändige Engagement der Menschen um Giovane, die diesen Kindern eine Chance bieten und ihnen menschliche Wärme, Geborgenheit und Zuversicht geben möchte.
Hinein ging es in die blau-weiß gestrichene Einrichtung über einen verschlossenen Zaun mit Stacheldraht. Sofort fielen uns ballspielende Kinder von ca. 5 Jahren in einer für Brasilien typisch überdachten betonierten Sporthalle mit Wellblechdach auf. An den Wänden des Gebäudes gemalte Bilder, die den Kindern immer wieder aufmerksam machen sollen, dass sie achtsam und gewaltlos miteinander umgehen sollen. Ein ganz toller Gedanke, den man in Deutschland auch einführen könnte…
Das Projekt arbeitet nach der Philosophie von Pestalozzi, was wir an der gütigen und geduldigen Art der Lehrerinnen und Betreuerinnen spürten. Wir würden die Beschäftigung der Kinder vergleichen mit einem in Deutschland existierenden Hort.
Die Kinder sind oft Opfer von Vernachlässigung, häuslicher Gewalt und Hunger, weil sich ihre Eltern wegen der Drogen- oder Alkoholabhängigkeit nicht um sie kümmern. So bekommen einige oft erst nach 2 Tagen etwas zu essen, und das auch nur im Projekt. Wir sahen Klassenräume, in denen Kinder mit Setzbaukästen aus Deutschland bastelten oder an PCs kreatives Arbeiten lernten, die von einem einheimischen Unternehmen gesponsert wurden. Sie musizieren und haben eine Bibliothek, in der ihnen vorgelesen wird.
Die Kinder sind dort im Wechsel zum öffentlichen Schulunterricht entweder von um 7.00-12.00 oder von 14.00-18.00 Uhr untergebracht. Einmal in der Woche kommt ein Zahnarzt kostenlos zu den Kindern. Es gibt auch eine Elternsprechstunde, die einmal monatlich abgehalten wird. Vom Lehrkörper wird ein Jahresplan für die Kinder entwickelt, der als Nachweis über das Erreichte sowohl für die Gemeinde, als auch für die Stiftung gilt. Eine Sozialpädagogin geht in die Favela zu den Familien und kontrolliert die Obhut der Kinder. Sie ist die gute Seele des Projektes, da sie über alles Bescheid weiß.
Diese Einrichtung hat gemäß unserer Nachfrage keine religiöse Ausrichtung. Die Lehrer werden von öffentlichen Geldern bezahlt, Kontrollen bezüglich Hygiene und Sicherheit sind nicht selten. Das Projekt arbeitet Generationen übergreifend, d.h. Kinder die ehemals dort waren und nun selbst Eltern sind, bringen ihre Kinder wieder dorthin…

Wir erfahren, dass sich die Favela seit der Eröffnung des Projektes strukturell verbessert hat. So wurde eine Straße dorthin gebaut. Leider ist der unsagbare Müll ein großes Problem, denn wenn die Regenzeit beginnt, vermehren sich dort die Mücken, wie Dengue oder Zika, und verursachen tödliche Krankheiten.
Nach einer Einladung zum Mittagessen, welches wir aus Zeitgründen absagten, ging es weiter zum nächsten Projekt.

Nun sind wir zu Gast im „Casa Do Caminho“, einer staatlichen Kindertageseinrichtung, die ebenfalls von der Giovane-Elber-Stiftung unterstützt wird.

1994 war’s, da gründeten 6 Winterbacher Seniorenfußballer zusammen mit Fußball-Profi Giovane Elber den Verein zur Förderung brasilianischer Straßenkinder e.V.. Straßenkindern in Elbers brasilianischer Heimat sollte geholfen werden. Heute sind die „Escola Pestalozzi“, die wir am Vormittag besuchten, und der Kinderhort Casa do Caminho Vorzeigeprojekte in der Stadt.

Über das verschlossene meterhohe Tor betraten wir das große Gelände, auf dem links ein großer Fußballrasen ins Auge stach, auf den alle sehr stolz sind… gesponsert aus Deutschland. Wir gingen ihn entlang und gelangten rechts vorbei an einem hellblau gestrichenen, fast fensterlosen Bau, in die Sporthalle. In dieser turnte eine Gruppe Kinder von ca. 4-5 Jahren unter der Anleitung einer Frau. Sie alle bemühten sich Übungen zu vervollkommnen und hatten sichtlich Spaß an ihren Vorstellungen…auch hier wieder das Bild des multikulturellen Brasiliens. Blonde Kinder mit blauen Augen, asiatische schmaläugige und mit mehr oder minder braunem Teint geborene dunkeläugige Kinder…
Von dort ging es direkt in den Hort, der hier generell „Schule“ gennant wird…auch wenn kein Unterricht im eigentlichen Sinne stattfindet. Uns erschreckte der geschlossenen Flur, der nur über die schwache Oberbeleuchtung sichtbar wurde. Ein Gefühl, im Keller zu sein. Aber auch hier wurde durch die Bemalung mit bunten Kinderbildern an den Wänden Abhilfe geschaffen.
Auch hier beginnt der Unterricht um 7.30 früh und endet gegen vier. Die Kinder werden von staatlich bezahlten Lehrern unterrichtet, die Kosten für die Gebäude und die gesamten Schulmittel und das Essen werden über Spenden finanziert. Die Schule bietet Platz für ca. 200 Kinder. Erneut treffen wir eine ganz liebevolle ältere Dame, die „Seele“ des Hauses, die nach ihrer Pensonierung die Leitung dieser Schule übernahm. Sie führte uns zu den gerade vom Schlaf erwachenden Kleinkindern, die gerade gewickelt und nun zur Beschäftigung „herausgeputzt“ wurden. Und alles immer Hand in Hand und in einer Ruhe mit einer Engelsgeduld…wir haben nie ein Kind schreien, trampeln, schubsen, schlagen gesehen!!!!… und wir haben viele gesehen!
Erschöpft nach den vielen Informationen fuhr uns Giovane noch an dem Fußballfeld und an der Betonsporthalle vorbei, in der er als kleiner Junge seine Karriere begann…ein eigenartiges Gefühl, mit ihm und den vielen persönlichen Informationen durch sein Land zu fahren und deutsch zu sprechen…

 

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