Nachdem wir Anfang der Woche bereits das kleine Regionalkrankenhaus „Hospital Sao Rafael“ in Rolandia besucht haben, wollten wir nun mehr über die Gesundheitsversorgung in Erfahrung bringen.
Ana Gabriela, die Tochter von Jacqueline, lud uns ein, gemeinsam mit ihr die Universität und das Universitätsklinikum in Londrina zu besuchen.
Die „Universidade Estadual de Londrina“ wurde 1970 gegründet und hat heute ca. 17000 Studenten. Der Campus ist riesig und gleicht einer eigenen kleinen Stadt in der Großstadt mit eigenen Restaurants und Banken. Die Studenten kommen aus ganz Brasilien hierher, so unter anderem aus Sao Paulo, Curitiba oder Bahia.
Das Universitätsklinikum befindet sich nicht auf dem Campus, sondern liegt etwas außerhalb.
Gemeinsam mit Gabriela besichtigten wir ein modernes und gut organisiertes Labor. Hier werden Untersuchungen der verschiedenen Körperflüssigkeiten gemacht. Uns beeindruckte, auf was für einem kleinen Raum hier gearbeitet wird. Die Geräte sind mit dem Standard in deutschen Laboren absolut vergleichbar. Im Gespräch mit Gabriela und einigen Angestellten lernen wir, dass in Brasilien nicht alle Krankenhäuser über ein eigenes Labor verfügen. Vor allem die kleineren, regionalen Häuser nutzen Labore, die zum Teil in weit entfernten Städten sind….das ist bei Notfällen ein enormes Problem.
Gleichzeitig stellten wir fest, wie weit Theorie und Praxis in diesem Land auseinander driften bzw. mit Willkür und Unlogik hier Gesetze gemacht werden. Ein Beispiel: Der in Deutschland wichtige Alkoholtest im Blut nach Unfällen oder bei auffälligem Verhalten im Straßenverkehr, ist in Brasilien nicht erlaubt, da es sich um eine Körperverletzung handelt, zu dem eine Zustimmung der Person vorliegen muss. Hier muss niemand die Zustimmung zu einem Test geben, der ihm ein Fehlverhalten nachweisen kann….Der Arzt, der den Test durchführt, würde sich strafbar machen. Ein Irrsinn, den man nicht verstehen kann oder muss…
Danach besuchten wir das Universitätsklinikum. Dieses ist das größte Krankenhaus im Umkreis und verfügt über alle Fachabteilungen. Beim Rundgang über die Flure fallen uns vor allem die extremen Unterschiede in der Modernität des Gebäudes auf. Das Klinikum wird derzeit teilweise renoviert. Dennoch erschreckt uns der Zustand des bisher noch nicht modernisierten Teile. Dieser Zustand ist aus unserer Sicht unterster Standard und wir hätten es so in einer Universität nicht erwartet.
Auf den Stationen wird uns erklärt, dass diese hier in Brasilien nach dem Geschlecht, nicht wie in Deutschland, nach Fachabteilungen (Innere, Chirurgie usw.) gegliedert sind. So gibt es Stationen für Frauen und andere für Männer.
Es schloss sich die Besichtigung des ambulanten Teiles an. Dieser ist nur bis 17 Uhr geöffnet und funktioniert wie eine normale Ambulanz in Deutschland. Hier erfuhren wir, dass das System der Versorgung in Brasilien dreiteilig ist.
Auf der unteren Ebene gibt es die „Clinics“, ambulante Versorgungszentren. Soweit wir es verstehen, sind diese mit dem Prinzip der Poliklinik oder der Medizinischen Versorgungszentren zu vergleichen. Einzelne, niedergelassene Ärzte, wie in Deutschland, gibt es hier nicht.
Neben den Clinics gibt es die Regionalkrankenhäuser (oder Kreiskrankenhäuser) wie das in Rolandia und schließlich die großen Universitätskliniken.